Bad Segeberg (em) „Beschäftigung mit Vorteil statt mit Vorurteil“: Unter diesem Motto hatten die Kreisbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Jutta Altenhöner, und das Jobcenter des Kreises Segeberg zu einer fachlichen Auseinandersetzung in den Bürgersaal nach Bad Segeberg eingeladen.

Im Kern des „Handicapped People Day“ ging es in rund drei Stunden um die Frage, wie Unternehmer Menschen mit Behinderung oder Langzeitarbeitslose in ihr Unternehmen integrieren können. „Behinderte sind keine homogene Gruppe und bieten einem Arbeitgeber daher eine ungeheure Vielfalt“, sagte Altenhöner in ihrer Begrüßung zu den knapp 70 Anwesenden. „Die übliche Art, in der wir über das Thema denken, müssen wir aufbrechen.“

„Oft fangen Barrieren ja schon im Kopf an“, sagte auch Kreispräsident Claus Peter Dieck in seinem Grußwort. Aber es gebe gute Gründe, sich mit Menschen mit Behinderung zu befassen: Eigenschaften wie Motivation und Loyalität seien besonders ausgeprägt. „Vielfalt sorgt für neue Ideen und neue, ungewohnte Denkansätze“, so Dieck, der sich einen Arbeitsmarkt wünscht, auf dem alle Menschen ihre Fähigkeiten einbringen können.

Ende des Jahres 2015 gab es in der Bundesrepublik Deutschland rund 7,6 Millionen schwerbehinderte Menschen, informierte Stefan Stahl, Bereichsleiter „Markt und Integration“ beim Jobcenter Kreis Segeberg. Davon waren 43 Prozent im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Die Quote an schwerbehinderten Menschen, die in den Betrieben beschäftigt sind, liegt bundesweit bei rund 4,7 Prozent, in der freien Wirtschaft sind es 4,1 Prozent, im öffentlichen Dienst 6,6 Prozent. Als Beispiel nannte Stahl das Jobcenter Kreis Segeberg, das aktuell auf eine Quote von 11,4 Prozent kommt.

In einem nächsten Schritt erläuterte Stahl, welche Unterstützungsmöglichkeiten es für Unternehmer gibt, die einen behinderten Menschen einstellen möchten:
• Jobcenter: Das Jobcenter bietet einen Eingliederungszuschuss bei Minderleistung, Probebeschäftigung, finanziell geförderte Arbeitsverhältnisse, Coaching und Qualifizierungen.

• Reha-Bereich der Bundesagentur für Arbeit: In diesen Bereich fallen die Beratung über Möglichkeiten der beruflichen Teilhabe, die Vermittlung sowie die Förderung von Jugendlichen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

• Eingliederungshilfe des Kreises Segeberg: Dort gibt es ein Budget für Arbeit für Menschen, die nicht erwerbsfähig sind, aber aus einer Werkstatt für behinderte Menschen in den Arbeitsmarkt gehen möchten.

Darüber hinaus nannte Stahl Beratungsmöglichkeiten beim Aktionsbündnis Schleswig-Holstein, bei der Industrie- und Handelskammer (IHK), beim Integrationsfachdienst, dem Netzwerke Inklusion sowie bei Jutta Altenhöner.

Einer der Höhepunkte der Veranstaltung war ein Impulsvortrag von Kirsten Bruhn, Vorsitzende des Kuratoriums „National Paralympic Committee Germany“. Die Schwimmerin und mehrfache Paralympics-Siegerin gab einen tiefen Einblick in ihr bewegtes Leben, regte zum Nachdenken an und rührte manchen Zuhörer zu Tränen. Es war ein Motorradunfall auf der griechischen Insel Kos, der das Leben der heute 48-Jährigen vor mittlerweile 21 Jahren für immer verändern sollte: Inkomplette Querschnittlähmung so die damalige Diagnose, die einen Rollstuhl seither zu ihrem täglichen Begleiter macht.

Sie erzählte von „unendlichen Schmerzen“, aber auch davon, helfen zu wollen, Ziele zu haben und zu kämpfen. Heute ist sie als Botschafterin für Prävention und Rehabilitation unterwegs, geht an Schulen, spricht vor Managern und plädiert für Kommunikation, Empathie, Sensibilität, Vorsicht, Rücksicht und Nachsicht. „Sie werden sensibler und machen ganz neue Erfahrungen, wenn Sie mit beeinträchtigten Menschen arbeiten“, sagte Bruhn in Richtung Unternehmer. Als Tipp gab sie diesen mit auf den Weg, sich auf behinderte Menschen am Arbeitsplatz einzulassen, mit ihnen zu kommunizieren und sie direkt zu fragen, was sie brauchen.

Eine Podiumsdiskussion, bei der die Potenziale beeinträchtigter Menschen im Mittelpunkt standen, rundete das offizielle Programm ab, bevor bei einem kleinen Imbiss die Möglichkeiten zum Austausch und Kennenlernen im Kleinen bestand. Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren Dennis S. Klimek (Wirtschaftsjunioren Kreis Segeberg), Hauke von Essen (Geschäftsführer KAWE GmbH & Co. KG), Kirsten Bruhn, Frank Warnholz (Aktionsbündnis Schleswig-Holstein Inklusive Jobs) und Arne Klaus vom Reha-Bereich der Bundesagentur für Arbeit. Die Moderation hatte Tanja Gienke vom Jobcenter.

Beim Kreis Segeberg stehen derzeit 42 Schwerbehinderte sowie 20 durch die Bundesagentur für Arbeit anerkannte „Gleichgestellte“ in einem Beschäftigungsverhältnis. Zudem gibt es eine Stelle „Eingliederung in das Arbeitsleben nach § 88 SG II“I, wofür der Kreis Segeberg einen befristeten Eingliederungszuschuss erhält. Insgesamt beschäftigt der Kreis rund 880 Mitarbeitende. „Nur weil jemand eine körperliche Beeinträchtigung oder eine bestimmte Krankheit hat, bedeutet das ja nicht, dass er arbeitsunfähig ist. Unser Ziel ist es, motivierte Menschen dort einzusetzen, wo sie leistungsfähig sind. Gerade in Zeiten des Arbeitskräftemangels ist es ja auch in unserem Eigeninteresse, Menschen mit Beeinträchtigungen für uns zu gewinnen und auf diese Weise Stellen besetzen zu können“, so Landrat Jan Peter Schröder.

„Die Veranstaltung hat gezeigt, dass noch viel zu tun ist. Aber sie hat auch deutlich gemacht, dass es Möglichkeiten gibt, Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren“, sagte Kreisbehindertenbeauftragte Jutta Altenhöner am Ende des Abends.