Neumünster (rj) Zur Zeit wird der Kreditbedarf der Kommunen vorwiegend über Darlehen oder Kassenkredite gedeckt. Die Ausgabe einer Bürgeranleihe als Alternative dazu könnte eine Chance für die klammen Kommune sein.

Wie funktioniert das? Bürger helfen ihrer Stadt! Die Stadt gibt eine Anleihe, zum Beispiel 1000 Euro pro Stück, für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren oder auch länger zu einem festen, attraktiven Zinssatz an ihre Bürger aus. Da sich die Bürger in der heutigen Zeit nach einer sicheren Anlageform sehnen, ist das Vertrauen, Geld bei der eigenen Stadt anzulegen vielleicht größer als bei ausländischen Fonds oder den hiesigen Großbanken. Städte wie Essen, Hannover oder auch Quickborn haben diesen Weg der alternativen Refinanzierungsquelle gewählt und damit einzelne städtische Projekte erst möglich gemacht.

Vorbild Quickborn?
2010 sorgte die Stadt Quickborn für bundesweites Aufsehen. Jeder Bürger konnte freiwillig mindestens 5000 Euro an die Stadt verleihen. Die Einlage sollte für ein Jahr „verliehen“ und mit drei Prozent verzinst werden. Innerhalb nur weniger Tage hatte die Stadt Kreditzusagen in nie erahnter Höhe von vier Millionen Euro. Leider zu früh gefreut die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) stoppte den Deal. Begründung: Diese Bürgerkredite entsprachen einem genehmigungspflichtigen Bankgeschäft. Kommunen dürfen diese jedoch nicht betreiben. Trotzdem ließ man sich in Quickborn nicht unterkriegen. Mit der BIW - Bank wurde eine Bürgeranleihe realisiert. Zwar sind die Konditionen mit zwei Jahren Laufzeit und 1,5 Prozent Zinsen nicht so gut wie zunächst geplant allerdings konnte die Stadt so rund zwei Millionen bei ihren Bürgern „leihen“. Können so in Neumünster zum Beispiel marode Schulen, Kindergärten oder andere städtische Einrichtungen schneller saniert werden? Das Stadtmagazin hat die fünf in der Ratsversammlung vertretenen Parteien gefragt, was sie von einer solchen Büreranleihe halten würden? Welche Möglichkeiten oder Risiken sehen sie?

SPD: Nur wenn der Rahmen stimmt
Die Idee klingt in Zeiten der Finanzkrise und dubiosen Finanzgeschäften von ausländischen Banken sehr verlockend. Gerade dann, wenn sich die Bürger über ein Modell, mit einem guten Zinssatz an Projekten zu beteiligen, bei denen sie sich mit ihrer Stadt identifizieren können. Die Städte Hannover, Essen und Quickborn haben diesen Markt nach mehr als zehn Jahren wieder eröffnet. Unter anderem auch aus dem Grund, da sich einige Banken aus dem Kommunalkreditgeschäft zurückgezogen haben. Bei allen Überlegungen ist aber die aktuelle Situation auf dem Geldmarkt zu betrachten. Wenn die Zinsen wie zur Zeit dauerhaft niedrig liegen, bekommt die Stadt ohnehin günstige Kredite und die Attraktivität einer Bürgeranleihe ist nur bedingt gegeben, da die Verzinsung sich an den marktüblichen Sätzen orientieren müsste. Festzustellen bleibt: Eine Bürgeranleihe ist ein Finanzierungsinstrument, kein Dukatenesel. Mit den ersten Ansätzen zur Haushaltskonsolidierung ist ein wichtiger und leider auch oftmals schmerzhafter Schritt in die richtige Richtung gemacht. Dieser Weg ist auch mit Bürgeranleihe unausweichlich. Es gilt mit Nachdruck den Grundsatz der Konnexität auf Landes- und Bundesebene einzufordern: Überträgt der Bund oder das Land den Kommunen eine Aufgabe, die in seine Verantwortung fällt, so muss er auch für die entstehenden Kosten aufkommen. Vernünftig sparen ist die eine Seite der Medaille, die andere muss die Erhöhung der Einnahmen sein. Dafür setzt sich die SPD ein. Sollte der Finanzmarkt mittelfristig wieder nur teurere Kredite für die Städte vorhalten, kann der Ansatz einer Bürgeranleihe für einzelne Projekte geprüft werden.

CDU: Kein Vorteil für Sparer & Stadt
Die Ausgabe einer Bürgeranleihe hat problematische Seiten. Es handelt sich dabei um ein Wertpapier, dessen Ausgabe mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Nach der Wertpapierprospektverordnung der Europäischen Union sowie dem Wertpapierprospektgesetz sind im Interesse der Anlage umfangreiche Informationen aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen. Dies wird ohne die Einschaltung von juristischen Kapitalmarktexperten kaum gehen. Darüber hinaus verursacht die Ausgabe und die Rücknahme dieser Wertpapiere hohe Emissions- und Vertriebskosten. Dies kann sich alles lohnen, wenn Bürgeranleihen mit einem Wert von zum Beispiel 1000 Euro je Stück in sehr großer Stückzahl verkauft werden können und (!) die versprochenen Zinsen deutlich unter den üblichen sehr günstigen kommunalen Kreditzinsen liegen. Damit kommen wir zum eigentlichen Haken des Geschäfts. Die Stadt und damit letztlich der Steuerzahler sollte nach Auffassung der CDU möglichst wenig Zinsen zahlen. Dies steht in klarem Widerspruch zum Ziel, eine Bürgeranleihe zu einem „festen, attraktiven Zinssatz“ auszugeben. Die Zinsen für Kommunalkredite liegen je nach Laufzeit derzeit bei wenig mehr als 2 Prozent. Einen solchen Zinssatz bieten aber auch einige überregionale Banken an. Eine Bürgeranleihe brauchen vermutlich weder die Sparer noch die Stadt. Aufgabe der Stadt ist es nicht, den Bürgern interessante Wertpapierinvestitionen zu ermöglichen. Die CDU sieht hingegen eine wichtige kommunalpolitische Aufgabe in der Reduzierung der städtischen Nettokreditaufnahme und möchte baldmöglichst auch wieder den Schuldenstand senken.

Bündnis für Bürger: Bürgeranleihe hat Zinsvorteile
Die Euro- und Staatsschuldenkrise wird sich auf die kommunalen Haushalte negativ auswirken und besonders bei den Kassenkrediten eine signifikante Zinssteigerung bewirken. Nur durch Einbeziehung der Bürger in Form eines Bürgerhaushaltes oder projektgebundenen Bürgeranleihen mit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten können die Kommunen das Vertrauen der Bürger erhalten. Daher sollte auch Neumünster nach Finanzierungsalternativen zum herkömmlichen Kreditmarkt suchen, denn für eine erfolgreiche Zukunft ist es notwendig, Zugang zu günstigen Finanzierungsmöglichkeiten für Investitionskredite zu gewinnen. Eine innovative Stadt wie Neumünster sollte den Bürgern daher die Möglichkeit geben, an der finanziellen Gestaltung von städtischen Investitionsprojekten in Form einer „Bürgeranleihe“ teilzuhaben. Die Vorteile seitens der Stadt lägen primär in der günstigeren Finanzierungskondition. Durch Umgehung der Vermittlerfunktion von Banken könnten durch den direkten Vertrieb der Anleihen Zinsvorteile geltend gemacht werden. Außerdem wäre der Bürger direkt an den zu finanzierenden Maßnahmen beteiligt, was für eine hohe Akzeptanz und Nutzung der finanzierten Projekte sorgen dürfte. In Anbetracht der zu erwartenden Zinsersparnis wären die mit der Abwicklung und Bewerbung der Bürgeranleihe verbundenen Kosten gering. Regulatorische und juristische Probleme können mit der Einschaltung einer Finanzierungsagentur umgangen werden. Das heißt: Die Wirtschaftlichkeit sowie die damit verbundenen juristischen Fragen werden untersucht, dabei sollte zum Beispiel die Sparkasse Südholstein mit einbezogen werden.

Die Grünen: Aktuell wenig attraktiv
In den letzten Jahren sind von städtischer Seite her große Anstrengungen unternommen worden, im Bereich der Schulen und Kitas zu investieren. Gebäude wurden saniert, umgerüstet oder auch Ersatzbauten neu errichtet. Für den städtisch zu finanzierenden Anteil gibt es häufig Sondermittel des Landes mit niedrigen Zinssätzen und langen Laufzeiten. Bürgeranleihen könnten ein Mittel darstellen, um sich Kreditmittel zu beschaffen. Allerdings stellt auch eine Bürgeranleihe ein Darlehen dar. Die Stadt verfügt nicht über eine Bank-Lizenz, die sie aber benötigte, um Bürgeranleihen auszugeben. Zudem müsste ein Anleihe-Prospekt erstellt und eine Verwaltung der Anleihen eingerichtet werden. Dieser Aufwand kann bei vielen kleinen Beträgen spürbare Größen annehmen. Ein weiterer Aspekt stellt der „attraktive“ Zinssatz dar. Ein über dem Markt liegender Zinssatz wäre für die Gläubiger zwar interessant, für die Stadt allerdings kaum und umgekehrt. Wer einen Blick in den Haushalt wirft, wird feststellen, dass die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Durch die Haushaltskonsolidierung ist die Lücke geringer geworden, ein zumindest ausgeglichener Haushalt ist immer noch nicht erreicht. Das eigentliche Problem der Haushalte der Städte stellen die in der Vergangenheit von Land und Bund überwälzten Aufgaben dar, für die im Gegenzug keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Das ist der wesentliche Grund dafür, dass in der Vergangenheit die bauliche Unterhaltung und Sicherung der sonstigen Infrastruktur stark gelitten hat. In der aktuellen Marktlage erscheinen Bürgeranleihen weder für die Bürger noch für die Stadt eine interessante Option.

FDP: Anleihe kein Befreiungsschlag
Von den eigenen Bürgern finanziert zu werden und nicht vom Kapitalmarkt abhängig zu sein, hört sich harmonisch an und hat auf den ersten Blick einen gewissen Reiz. Aber: Auch eine Bürgeranleihe ist eine Verschuldung der Stadt. Für Griechenland mag das eine interessante Frage sein, weil man auf dem Kapitalmarkt kein Geld mehr bekommt und wesentlich vom Ausland finanziert wurde aber soweit sind wir noch nicht. Die Fragestellung suggeriert einen „finanzpolitischen Befreiungsschlag“. Das ist falsch. Hier geht es nicht um Entschuldung, denn zwischen Anleihe und Kredit ist kein so großer Unterschied, beides sind Schulden. Die Ausgabe von Anleihen hat den Charme, dass sie im Falle eines Konkurses nachrangig sind und nicht unbedingt zurückgezahlt werden müssen. Aber das kann ja auch nicht das Ziel sein. Außerdem kann die Stadt sie nicht direkt ausgeben, dafür muss sie ein Kreditinstitut wie die Sparkasse einschalten, die Anleihe kann dann auch jeder erwerben, Neumünsteraner oder nicht. Bliebe allein noch das Argument, Zinsen zu sparen. Das Zinsniveau staatlicher Kredite liegt aktuell bei sehr niedrigen Sätzen. Auf fünf Jahre fest müsste der Zinssatz einer Anleihe bei 2,5 bis 3 Prozent liegen, um für Bürger interessant zu sein. Wäre das für die Stadt noch interessant? Denn das Land kann durchaus günstigere Finanzierungskonditionen haben als die Stadt beim Kassenkredit. Zur Ausgangsfrage: Hirngespinst ist eine Anleihe dieser Art sicher nicht, wenn man den richtigen Weg wählt. Befreiungsschlag ganz sicher nicht, wovon denn auch? Bleiben wir lieber bei den transparenten existierenden Finanzmodellen.