Neumünster (rj) Die Schuldnerund Insolvenzberatung der Diakonie Altholstein zieht eine erschreckende Jahresbilanz. Der Anteil der jungen Schuldner in den letzten drei Jahren hat sich annähernd verdoppelt. Die Zahl der Neumünsteraner „in den Miesen“ steigt weiter an.

Waren es früher Arbeitslosigkeit und Scheidungen, die den Grundstein für eine Verschuldung legten, geraten nun immer mehr Menschen in Zahlungsnot, weil sie trotz Geldknappheit teure Anschaffungen machen. Gerade junge Menschen geraten so leicht in eine Schuldenspirale: Immer das neueste Smartphone oder Tablet-PC müssten es sein, hat Sibylle Schwenk, Leiterin der Schuldnerund Insolvenzberatung der Diakonie Altholstein, beobachtet. „Am Anfang mögen es überschaubare Summen sein, aber ohne ein regelmäßiges Einkommen sind auch 5000 Euro Schulden nicht zu tilgen.“ Mit weiteren Mahn- und Gerichtskosten wächst der Berg weiter an.

101 junge Neumünsteraner unter 25 Jahren waren 2012 in der Insolvenzberatung. Ihr Anteil beträgt 19,73 Prozent, das ist annähernd eine Verdoppelung in den letzten drei Jahren (2009: 10,53 Prozent). Die jungen Frauen sind dabei leicht in der Überzahl, 27 von ihnen haben bereits eigene Kinder. Diese Entwicklung ist nach Ansicht von Schwenk erschreckend. Sie bedauert, dass entsprechende Präventionsprogramme wie „Kids und Kohle“, die bereits in den Schulen einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld vermittelten, eingestellt wurden. „Das lässt befürchten, dass in den nächsten Jahren die Zahl überschuldeter junger Erwachsener weiter steigt. Eine echte Hypothek für die Zukunft der jungen Menschen und ihre Kinder.“ Im abgelaufenen Jahr hat die Schuldner- und Insolvenzberatung 512 Personen im Insolvenzverfahren begleitet. Zum Vergleich: 2011 waren es 375, 2010 lediglich 268; neu hinzu kamen 417 (2011: 270). Die starke Steigerung hat zwei Ursachen: zum einen die Übernahme der städtischen Schuldnerund Insolvenzberatung im April 2012 durch die Diakonie und zum anderen die extrem hohe Überschuldungsquote in Neumünster.

Die Übernahme der städtischen Schuldner- und Insolvenzberatung verlief dank eines längeren Vorlaufs und enger Kooperation beider Stellen reibungslos. Schon frühzeitig hatte die Stadt Fälle an die Diakonie übergeben, um den Betroffenen einen Wechsel im laufenden Verfahren zu ersparen. Auch administrativ klappte der Wechsel problemlos. Neumünster ist jedoch mit einer Überschuldungsquote von 16,65 Prozent trauriger Spitzenreiter in Schleswig-Holstein (Angaben nach dem Schuldneratlas Creditreform 2012). Im Vergleich zu 2011 beträgt die Zunahme 1,04 Prozent, so viel wie in keiner anderen Stadt Deutschlands. In der Innenstadt liegt die Überschuldungsquote sogar bei 31,17 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Zum Vergleich: Im Landesdurchschnitt sind 10,81 Prozent der Schleswig-Holsteiner nicht mehr in der Lage, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Um bei Zahlungsschwierigkeiten schnell und unkompliziert erste Hilfe und wichtige Tipps zu vermitteln, bietet die Schuldnerberatung jeweils dienstags von 10 bis 12 Uhr und 15 bis 17 Uhr eine offene Sprechstunde an. Zudem finden alle vier Wochen Informationsabende statt. Wer daran teilnehmen möchte, sollte sich telefonisch unter 25271010 anmelden. Im vergangenen Jahr haben 394 Menschen diese Möglichkeiten genutzt (2011: 320).

Die Beratungsstelle finanziert sich aus kommunalen (Schuldnerberatung) und Landesmitteln (Insolvenzberatung). Ob das Land jedoch 2013 die Mittel in der bisherigen Höhe zuweist, ist fraglich. Geschäftsbereichsleiter Michael Frenzel sieht dies mit Besorgnis: „Die Signale stehen auf Kürzung. Das wäre angesichts der Verschuldungsquote in Neumünster fatal!“

Foto: Immer mehr junge Menschen tappen in die Schuldenfalle.