Neumünster (red) CDU und FDP im Bund haben zugesagt, den finanziell klammen Kommunen unter die Arme zu greifen und sie schrittweise von den Ausgaben der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu befreien.

Ab dem kommenden Jahr schon erhöht der Bund schrittweise seinen Anteil an der sogenannten Grundsicherung. Im Jahr 2014 sollen die Kosten dann ganz vom Bund übernommen werden.

Was ist die Grundsicherung?
Die Grundsicherung ist eine eigenständige Sozialleistung. Sie wurde im Januar 2003 eingeführt, seit Janaur 2005 sind sie Bestandteil des Sozialgesetzbuches. Die Grundsicherung ist eine aus Steuern finanzierte, bedarfsorientierte Leistung im Alter und bei Erwerbsminderung, die den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt von den Menschen absichert, die wegen ihres Alters oder aufgrund voller Erwerbsminderung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.
Anspruchsberechtigt sind Menschen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik, die das 65. Lebensjahr bereits vollendet oder die das 18. Lebensjahr vollendet haben und aus medizinischen Gründen dauerhaft voll erwerbsgemindert sind und ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können. Das Stadtmagazin hat alle in der Neumünsteraner Ratsversammlung vertretenen Fraktionen gefragt, wie sie diesen Beschluss einschätzen.
Ist dies eine gute Nachricht für Neumünsters Finanzen? Bekommt die Stadt nun kurzfristig mehr finanziellen Spielraum?

SPD: Mehr Spielraum für Investitionen
Wenn die Ankündigungsregierung in Berlin das wirklich macht, dann wäre das nicht nur ein guter Tag für Neumünster, sondern ein guter Tag für die Kommunen in Deutschland generell. Denn dann könnten die Kommunen mehr Spielräume für notwendige Investitionen in die Zukunft erhalten: Infrastruktur und Bildung. Aber der Bund darf dann auf der anderen Seite den Kommunen nicht Geld wegnehmen: Derartige Entlastungen sind sinnvoller als Steuersenkungsankündigungen, die zu Lasten der Kommunen und der Länder gehen würden und nur dem Zweck dienen, dem Patienten FDP etwas Umfrageluft zu verschaffen. Es muss vielmehr darum gehen, mittelfristig eine echte Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu erreichen. Euro-Rettungsschirm, Bankenrettungsschirm: Alles richtig. Aber wer bestellt, der muss auch bezahlen. Auch gegenüber der Landesregierung müssen die Kommunen aufstehen und ihre Rechte einfordern. Die Belastungen der Kommunen durch Bundes- und Landesgesetze sind für die Kommunen kaum noch zu schultern. Neumünster sollte das gesparte Geld durch so eine Maßnahme aufteilen: Die eine Hälfte sollte in die Haushaltskonsolidierung gesteckt werden, um einen langfristigen finanzpolitischen Effekt zu erzielen. Die andere Hälfte sollte in Infrastruktur und Bildung investiert werden. Sprich: In die Zukunft! Die Liste der Notwendigkeiten ist lang. Kurzum: Es würde etwas Luft verschaffen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

CDU: Aufwendungen bleiben hoch
Durch die Übernahme der Kosten bei der Grundsicherung im Alter durch den Bund wird den Kommunen erstmals spürbar geholfen. Die Grundsicherung erhalten ältere Menschen, deren Rente für den Lebensunterhalt nicht ausreicht. Die CDU hat Wort gehalten, um die stark strapazierten Städte zu unterstützen. In den nächsten Jahren stufenweise und ab 2014 komplett übernimmt der Bund rund 6 Millionen Euro Grundsicherung in Neumünster. Andererseits verbleiben bei der Stadt Neumünster weiterhin hohe Aufwendungen im sozialen Bereich allein für die Kosten der Unterkunft oder die Eingliederungshilfe von insgesamt rund 40 Millionen Euro. Die Ausgabenseite in allen Bereichen muss deshalb scharf im Blick bleiben. Neumünster ist auf einem konsequenten und richtigen Weg zu einem verbesserten Haushalt. Das ist auch dringend notwendig, um die aufgelaufenen Defizite und gemachten Schulden aus der Vergangenheit zu schultern. Für Ende 2012 geht der Haushaltsplan noch von einem Schuldenstand durch Kassen- und Investitionskredite von rund 200 Millionen Euro aus. Schließlich müssen wir einen belastbaren Haushalt haben, um auch steigende Anforderungen im Bereich der Kinderbetreuung oder der Bildungsangebote schultern zu können. Eigene Maßnahmen, anziehende Konjunktur und Entlastung bei der Grundsicherung helfen dabei. Hausaufgaben durch eigene Konsolidierungsmaßnahmen erledigen, einen guten Wirtschaftstandort schaffen, in Bildung und Infrastruktur investieren und Entlastung durch Bund und Land einfordern diese Eckpunkte sind für die CDU-Ratsfraktion wichtig auf dem Konsolidierungskurs der Stadt.

Bündnis für Bürger: Mittel für Schuldentilgung
Das Bündnis für Bürger begrüßt generell jede Entscheidung zur finanziellen Entlastung der Kommunen und nimmt die von der Bundesregierung geplante schrittweise Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung daher mit Befriedigung zur Kenntnis. Zu hoffen ist, dass dieses Vorhaben keine reine Absichtserklärung bleibt, sondern so schnell wie möglich gesetzlich verankert wird. Das wäre dann auch für Neumünster eine spürbare finanzielle Erleichterung, somit in der Tat ein guter Tag für die Stadt und durchaus auch der von Ihnen angesprochene „Lichtblick für das Stadtsäckel“. Und der ist angesichts der bekannten Schuldenproblematik auch dringend notwendig, denn Neumünster muss alle nur denkbaren Anstrengungen unternehmen, um den städtischen Haushalt langfristig wieder in eine stabile Lage zu bringen. Auf dem Weg dorthin sollte die Stadt deshalb aus Sicht des BfB ohne Wenn und Aber die Chance nutzen, die bereits ab dem kommenden Jahr frei werdenden Mittel voll und ganz für die Schuldentilgung zu verwenden. Dass das zu erwartende Geld auch für anderweitige Zwecke sinnvoll ausgegeben werden könnte, daran besteht für das Bündnis für Bürger kein Zweifel. Doch auch noch so wichtige und dringende Einzelmaßnahmen müssen unserer Meinung nach zurückstehen, wenn es darum geht, Neumünster so schnell wie möglich wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt zu verhelfen. Nur so wird die Leistungsfähigkeit der Stadt gesichert und die Lebensqualität für alle Bürger auf Dauer erhalten werden können.

Die Grünen: Unterm Strich nicht mehr Geld
Für die sogenannte „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ (GruSi) sind aktuell der Bund mit 15 Prozent sowie die Kommunen mit 85 Prozent zuständig. Die Bundesregierung hat nun mitgeteilt, dass der Bundesanteil an der GruSi im kommenden Jahr auf 45 Prozent, in 2013 auf 75 Prozent und ab 2014 schließlich auf 100 Prozent steigen wird. In Neumünster liegen die Kosten aktuell um 7 Millionen Euro jährlich. Soweit gesehen darf diese Ankündigung der Bundesregierung als positives Signal für den städtischen Haushalt gewertet werden. Allerdings hat die Bundesregierung gleichzeitig mitgeteilt, dass im Gegenzug die Bundesbeteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung entsprechend abgesenkt wird. Die städtische Kämmerei rechnet erst ab Ende August mit belastbaren Zahlen. Da die Bundesregierung ihre Mehrkosten durch die Übernahme der GruSi aber durch die Absenkung der Kosten der Arbeitsförderung zu decken gedenkt, muss erst einmal davon ausgegangen werden, dass wenig bis kein finanzieller Spielraum für die Kommunen übrig bleiben wird. Um es ein wenig salopp zu formulieren: das Geld wandert von der linken in die rechte Tasche und wird damit unterm Strich nicht mehr.

FDP: Entlastung für den Haushalt
Wohl jeder Kommunalpolitiker, gleich welcher Partei, wird diesen Beschluss außerordentlich begrüßen. Die schrittweise Entlastung der Kommunen bei den Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist überfällig und wird die enorme Last der Sozialausgaben für die Kommunen, insbesondere für die größeren Städte und somit auch für Neumünster, auf längere Sicht spürbar verringern. Die finanziellen Entlastungen, die sich dann mittelund längerfristig ergeben, sind auch dringend nötig, um den Prozess der Haushaltskonsolidierung in unserer Stadt erfolgreich weiter zu führen. Unser Ziel als FDP bleibt es, regelmäßige Einnahmen und regelmäßige Ausgaben ins Gleichgewicht zu bringen. Nur so kann die Stadt eines Tages den Schuldenabbau tatsächlich in Angriff nehmen. Mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf ist ein dringend notwendiger erster Schritt zu den zugesagten Entlastungen der Kommunen ab dem Jahr 2012 getan. Da der Bund die Kommunen jedoch nicht unmittelbar von den Ausgaben der Grundsicherung entlasten kann, führt das Gesetz zunächst zu Mehreinnahmen der Länder. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren muss unbedingt sichergestellt werden, dass die Länder die Entlastung vollständig, also 1:1 an die Kommunen weiterleiten. Ein weiterer Schritt ist aber ebenfalls dringend notwendig: Zu Recht klagen die Kommunen seit Jahren darüber, dass die mit neuen Gesetzen von Bund uns Ländern einhergehenden Verpflichtungen nicht oder nur unzureichend gegenfinanziert sind. Das Prinzip, wer eine Leistung anbietet, diese auch zu finanzieren hat, wird nur selten eingehalten.