Neumünster (rj) Auch in Neumünster gibt es, wie in jeder anderen Stadt auch, ab und an diese Bilder: betrunkene Teenager, die mit Schnaps- und Bierflaschen „bewaffnet“ Open-Air-Musikveranstaltungen belagern oder sich an lauschigen Sommerabenden in Neumünsteraner Parks und am Einfelder See ungehemmt abfeiern.

Veranstaltungen wie die alljährliche Holstenköste sind da nur ein Beispiel, was im Schatten solcher Großveranstaltungen, trotz der schon von der Stadt aufgebotenen Präsenz an Streetworkern, Polizei und Alkoholpartrouille, passieren kann.
Kommt nun ein Lichtblick? Mitten in der politischen Sommerpause platzt die Nachricht, dass Familienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU) den Jugendschutz verschärfen will. Jugendliche unter 16 Jahren sollen, laut ersten Überlegungen des Ministeriums, Konzerte und Feste schon um 20 Uhr verlassen müssen, wenn vor Ort Alkohol ausgeschenkt wird. Auf jeden Fall dann, wenn sie ohne Erziehungsberechtigte unterwegs sind. Bisher existiert ein solches Verbot nur für Diskotheken. In Gaststätten gilt dazu eine Außnahmegenehmigung. Jugendlichen soll damit er-laubt sein, in Gaststätten auch allein eine Mahlzeit zu sich zu nehmen.
Das Medienecho zu diesem Thema war indes groß. Selbst aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es, dass man einer solchen Initiative nicht zustimmen könne.

Das Stadtmagazin hat die fünf im Rat vertretenen Parteien gefragt: Wäre dies die Chance für Neumünster, dem unschönen Bild von alkoholisierten Jugendlichen zur Holstenköste und anderen Festen in der Schwalestadt endlich wirksam entgegenzutreten? Gibt es andere Möglichkeiten?

SPD: Alternativen aufzeigen
Das Jugendschutzgesetz enthält bereits klare und eindeutige Regelungen für den Konsum von Alkohol. Allerdings gibt es eine große Diskrepanz zwischen den geltenden Regelungen und der Realität. Die vorhandenen gesetzlichen Re-gelungen müssen umgesetzt, ihre Einhaltung kontrolliert werden. Ju-gendliche und Kinder sind schutzbedürftig, weil sie Gefahren nicht immer richtig einschätzen können. Dabei erscheint es zunächst wichtig, Informationen über die Ursachen des exzessiven Trinkens von Jugendlichen zu erlangen. Wir müssen vermehrt Anstrengungen unternehmen, Kindern und Ju-gendlichen die Attraktivität von Freizeitgestaltung ohne exzessiven Alkoholmissbrauch aufzuzeigen. Ein entscheidender Faktor sind in diesem Zusammenhang die Eltern, die den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol vorleben und positives Beispiel für ihre Kinder sein können. Wer mit Psychologen, Ärzten und Therapeuten spricht, bekommt eines mit auf den Weg: Höhere Steuern auf alkoholische Getränke, insbesondere auf jene speziell für junge Menschen hergestellte Drinks, Werbeverbot für Alkohol und einen deutlich erschwerten Zugang zu Alkohol für Jugendliche, sind sinnvolle Maßnahmen gegen den drastischen Anstieg des „Komasaufens“. Dass Bier oftmals billiger ist als Mineralwasser, ist ein Skandal. Hier müssen Auflagen und Kontrollen bei Stadtfesten Abhilfe schaffen. Der Gesetzgeber kann jedoch nicht die Eltern als Erzieher, Vorbild, Vertrauten und erste Bezugsperson ersetzen.
Den Vorschlag von Bundesministerin Schröder zu Verschärfung halten wir daher für untauglich, das eigentliche Problem zu lösen.

CDU: Mehr Prävention gefragt
Das Bild von betrunkenen Jugendlichen aber auch von betrunkenen Erwachsenen sehen sicher ganz viele Menschen mit Besorgnis. Besonders auffällig ist es natürlich auf Großveranstaltungen, aber auch auf einer Discomeile wie zum Beispiel in Kiel.
Viel wichtiger als die „öffentliche Wahrnehmung“ sollte aber die Sorge um die Gesundheit der Jugendlichen sein, und hier ist mehr Prävention gefragt. Sind Jugendliche, aber auch Eltern ausreichend darüber informiert, welche Auswirkungen ein Vollrausch auf das Gehirn eines Heranwachsenden hat und wie hoch die Suchtgefahr bei jungen Menschen ist?
Neben der Prävention sollte die Ausschöpfung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen im Vordergrund stehen. Dazu gehören regelmäßige Kontrollen und die Durchsetzung entsprechender rechtlicher Schritte.
Wenig ist im Bezug auf Jugendschutz erreicht, wenn ein 16- oder 17-Jähriger mit dem sogenannten „Muttizettel“ und in Begleitung eines erwachsenen Freundes Zutritt zu einer Diskothek bekommt, ihm aber dann am Tresen jedes auch hochprozentige Getränk verkauft wird.

Bündnis für Bürger: Erwachsene in der Pflicht
Ich sehe diesen Vorstoß, den Alkoholkonsum durch „platte Verschärfung“ als ein wirkliches Sommertheater an. Hier wird eher über eine Verschärfung der Auflagen oder Gesetze versucht das eigene Gewissen zu beruhigen, nach dem Motto „Gesetz verschärft und nun ist alles gut“. Dies kann aber nicht die Lösung des Problems sein. Als Neumünsteraner bin ich durchaus auch auf solchen Großveranstaltungen wie der Holstenköste zu finden, und ich habe meiner subjektiven Meinung nach eine Verbesserung im „Trinkverhalten“ von Jugendlichen festgestellt. Maßgeblich hierfür halte ich die doch stark auffällige Präsenz von jüngeren Polizisten sowie von Streetworkern. Wir konnten einige Diskussionen und daraus folgende Einsicht der Jugendlichen feststellen. Das Problem beginnt nicht mit dem Trinken, sondern mit der Beschaffung des Alkohols. Hier sollte verstärkt an die Thekenbetreiber und das Verkaufspersonal an den Kassen appelliert werden. Es ist für mich nicht eine Frage, ob ein Gesetz noch weiter verschärft werden muss, um Wirkung zu zeigen, sondern inwieweit werden die bereits vorhandenen Regeln und Gesetze angewandt bzw. ausgelegt. Und hier sind alle angesprochen. Eine konsequente Einhaltung des Verbots des Verkaufs von Alkohol an Jugendliche würde das Problem für mein Empfinden drastisch reduzieren, aber auch ein Ansprechen von trinkenden Jugendlichen kann durchaus Erfolge bringen. Es nützt doch nichts nach schärferen Gesetzen zu rufen, wenn die vermeintlich Erwachsenen offensichtliche Verstöße tolerieren und mit schlechtem Beispiel voran gehen. Vielleicht sollte jeder einmal auf seine Mitbürger achten.

Die Grünen: Regeln sind eindeutig
Dreh- und Angelpunkt beim Thema „Koma-Saufen“ im öffentlichen Raum ist die Verfügbarkeit von Alkohol. Das aktuelle Jugendschutz-Gesetz sieht für den öffentlichen Raum für Jugendliche unter 16 Jahren eindeutige Regeln vor. Alkohol darf weder an sie abgegeben noch von ihnen konsumiert werden. Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn Erziehungsberechtigte anwesend sind. Damit ist faktisch alles geregelt, was beim Thema Alkohol, öffentlicher Raum und Jugendliche zu regeln ist.
Ob eine Verschärfung, wie bei dieser Fragestellung beschrieben, tatsächlich zu einer Verringerung von Koma-Saufen Jugendlicher im öffentlichen Raum führen würde, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Theoretisch müsste es dies wenn sich alle an die Regeln hielten. Wie so häufig steht und fällt eine Regelung damit, wie weit es gelingt, sie
durchzusetzen. So weit erkennbar werden die Regeln für den Alkoholverkauf an Jugendliche verstärkt eingehalten.
Bei Großveranstaltungen wie der Holstenköste wird sicherlich nicht jeder Alkohol-Konsum Jugendlicher unterbunden werden können, aber es scheint wirkungsvoll durch die Präsenz von Streetworkern, Polizei und Alkoholpatrouille eingedämmt zu werden. Eine völlig andere Frage bleibt, wie weit ungehemmter Alkohol-Konsum im öffentlichen Raum eingedämmt werden kann.
Aus dem Bereich der Polizei, aber auch von Rettungskräften ist zu hören, dass sich diese vermehrt einer Gewaltbereitschaft gegenüber sehen, wenn sie gerufen werden. Diese Gewaltbereitschaft scheint häufig mit verstärktem Alkohol-Konsum von Erwachsenen einher zu gehen.

FDP: Erziehung ist das A und O
Der Vorschlag von Familienministerin Schröder passt zu einer Auffassung von Politik, die glaubt, dass Verhalten von Menschen bis hinein in die privatesten Angelegenheiten per Gesetz regeln zu können und bei Verstoß sanktionieren zu müssen. Natürlich ist es kein besonders erfreulicher Zustand, Jugendliche zu erleben, die sich in die Bewusstlosigkeit trinken. Aber zu glauben, dass man dies mit einer Verschärfung des Jugendschutzes verhindern könnte, ist schon sehr naiv. In kaum einem anderen Land Europas wird pro Kopf mehr Alkohol konsumiert als in Deutschland, und das nicht von Jungendlichen unter 16, sondern von erwachsenen Menschen. Wundert es da, wenn der gelegentliche Vollrausch als Normalzustand angesehen wird? Nicht Verbote helfen hier weiter, sondern das eigene Verhalten. Wie heißt es doch sehr richtig? Die beste Erziehung nützt überhaupt nichts, wir machen den Kindern ja doch alles vor. Noch vor einigen Jahren war es unter Jugendlichen fast normal, Zigaretten zu rauchen. Heute ist das bei den meisten gar nicht mehr cool, sondern dumm, und das ha-ben keine verschärften Gesetze ge-schafft, sondern ein verändertes Bewusstsein. Frau Schröder plant, dass Jugendliche unter 16 Jahren Veranstaltungen um 20 Uhr zu verlassen haben, wenn dort Alkohol ausgeschenkt wird. Wenn das Wirklichkeit werden sollte, darf kein Jungendlicher unter 16 in Neumünster ins Theater gehen. Denn auch dort werden in der Pause alkoholische Getränke angeboten. Der Vorschlag mag gut ge-meint sein, ist aber nicht praktikabel. Die Anwendung des Jugendschutzgesetzes, der Einsatz von Streetworkern auf Großveranstaltungen sind in Ordnung.