Neumünster (rj) Ein schon Jahrzehnte laufender Laden mit einem breiten Angebot an Backwaren, Getränken, Zeitschriften, Milch, Aufschnitt, Süßigkeiten, Konservenware, Zigaretten etc. hat kürzlich in einem Stadtteil seine Pforten geschlossen. Kein Einzelfall in Neumünster.

Immer mehr Lebensmittelmärkte und kleine „Tante-Emma-Läden“ in den Stadtteilen schließen. Selbst die kleinen, älteren Discounter ziehen sich aus den Stadtteilen zu Gunsten der größeren Einkaufstempel auf der grünen Wiese zurück. Damit wird die Nahversorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs zunehmend zum kommunalpolitischen Thema. Nicht nur die ländlichen Räume, sondern auch ganze Wohnquartiere in Groß- und Mittelstädten sind von dem wirtschaftlichen Niedergang betroffen.
Ein großes Problem, gerade für die älteren und kranken Mitbürger, die die neuen großen Center auf der grünen Wiese zumeist nur schwerlich, wenn sogar gar nicht ohne Hilfe von Verwandten und Bekannten erreichen. Ist auch in Neumünster die Nahversorgung in Gefahr? Das Stadtmagazin hat die fünf im Rat vertretenen Parteien gefragt, ob die Politik etwas tun kann, um die Versorgung gerade der älteren Mitbürger sicherzustellen.

Oder ist man den Kräften der Wirtschaft völlig ausgesetzt?

SPD: Busverbindungen überprüfen
Das Sterben der Tante-Emma- Läden begann bereits in den 60er- Jahren. Das Drängen der Discounter und anderer Lebensmittler in größere Einkaufscenter ist auch schon länger zu bemerken. Sicherlich auch ein Trend, bei dem wir alle selbst mit unserem Einkaufsverhalten mehr oder weniger beitragen. Sehr zum Leidwesen gerade unserer älteren und kranken Mitbürger, denn die Stadt der kleinen Wege wird es damit bald kaum noch geben. Bei aller Freude über unsere Fortschritte dem geplanten Einkaufscenter in der Innenstadt und dem Designer Outlet Center die der Stadt einen großen Schub geben werden. Wir dürfen es nicht zulassen, dass das Einkaufen von Dingen des täglichen Bedarfs und dazu zählen insbesondere auch Lebensmittel zu einem Privileg für junge, gesunde und autobesitzende Neumünsteraner wird. Das wird für die Politik schwer genug. Mit großzügigen Förderalternativen, wie sie zum Beispiel im ländlichen Raum für die Markttreffs genutzt werden, lässt sich auf Dauer kein Geschäft halten. Aber wir sollten uns über die Führung der Busverbindungen Gedanken machen, die mit dem sternförmigen Liniennetz eine kurze Querverbindung zum Einkaufscenter im benachbarten Stadtteil zu einer kleinen Weltreise machen. Zudem muss nicht nur der Wochenmarkt auf dem Großflekken gestärkt werden, sondern auch die kleinen Wochenmärkte in den Stadtteilen sind für eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln von großer Bedeutung. Zudem gilt es, auch das Gespräch mit Vermietern der Immobilien zu suchen. Oft scheitert ein kleiner Lebensmittelladen schon an den überhöhten Mieten.

CDU: Strukturen weiter stärken
Die Zeiten, in denen man sich die Tasche nahm und „ums Eck“ einkaufen ging, sind längst vorbei. Bei „Tante Emma“ bekam man fast alles. Der Strukturwandel im Einzelhandel veränderte vieles. Der Trend weg von kleinen Läden war nicht aufzuhalten. Das Konsumverhalten veränderte sich. Einkaufen zu Fuß ist heute für viele nicht so mobile Mitbürger kaum noch möglich. In der Regel wird eine Distanz zum nächsten Nahversorgungsbereich von 400 bis 600 Meter von Kunden akzeptiert. Weiter weg gelegene Einkaufsmöglichkeiten sind für ältere und kranke Menschen ein besonderes Problem. Umso wichtiger ist es, die gewachsenen Strukturen in den Stadtteilen zu stärken. Unser Einzelhandels- und Zentrenkonzept bildet eine wichtige Grundlage, um im Sadtgebiet unerwünschten Entwicklungen entgegen zu treten. Dazu kommen noch verschiedene gesetzliche Bestimmungen, die der Politik und Verwaltung ermöglichen, lenkend einzugreifen. Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept ist sowohl für unsere Einzelhändler und Dienstleister als auch für zukünftige Investoren ein Instrument für Planungsund Rechtssicherheit. Das bezieht sich insbesondere auf die Nahversorgung in den Stadtteilen. Hier erwarten die Kunden ein Angebot von Gütern des täglichen Bedarfs, vor allem von Lebensmitteln, darüber hinaus auch von Dienstleistungen wie Post, Bank, Gastronomie, Schulen, medizinische Versorgung usw. Am Stadtrand wird dieses Angebot von Hofläden und Direktvermarktern ergänzt. Mit den Nahversorgungsbereichen in der Stadt verbinden die Bürger ein Stück Lebensqualität, die Identität mit dem Stadtteil und stärkere Einbindung in das kommunale Leben.

Bündnis für Bürger: Gemeinsam gegensteuern
Ganz so dramatisch, wie es in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, ist es um die Nahversorgung in Neumünster sicherlich nicht bestellt. Dennoch sieht auch das Bündnis für Bürger die von Ihnen thematisierte Entwicklung mit Sorge. Insbesondere für viele ältere, aber auch für gebrechliche und behinderte Menschen ist das Einkaufen beschwerlicher geworden. Die Zeiten, in denen man nur „um die Ecke“ zu gehen brauchte, um bequem seine täglichen Besorgungen zu machen, sind leider vorbei. Kein Wunder also, dass insbesondere die aus der unmittelbaren Nachbarschaft verschwundenen kleinen und mittleren Fachgeschäfte des Lebensmittel- Einzelhandels schmerzlich vermisst werden. Und, nicht zu vergessen, ebenso die von Ihnen angesprochenen „Tante-Emma-Läden“, die ja über Jahrzehnte hinweg direkt in den Wohngebieten ansässig waren. In diesem Zusammenhang stellt sich übrigens die Frage, ob nicht auch unser aller Kaufverhalten zu dieser Entwicklung beigetragen hat? Das völlige Verschwinden der in Neumünster hier und da noch funktionierenden Nahversorgungs-Strukturen zu verhindern, ist daher nicht allein Aufgabe der Politik. „Gemeinsam gegensteuern“, das muss die Devise sein. Für die Konsumenten selbst, Facheinzelhändler, potenzielle Existenzgründer und weitere relevante Gruppen aus der mittelständischen Wirtschaft. Eine solche, von Verwaltung, Parteien und Fraktionen mitgetragene „konzertierte Aktion“, die auch ein Handlungsschwerpunkt innerhalb des „Integrierten Stadtentwick-lungskonzeptes“ (ISEK) der Stadt werden könnte, böte darüber hinaus die Chance, eine tragfähige Basis für einen Neuanfang zu schaffen.

FDP: Möglichkeiten sind begrenzt
Die Möglichkeiten der Politik sind auf diesem Gebiet außerordentlich begrenzt, oder besser gesagt, so gut wie nicht vorhanden. „Tante- Emma-Läden“, die es ja ohnehin kaum noch gibt, aber auch kleinere Discounter eröffnen oder halten da ihre Geschäfte, wo ein Maximum an Umsatz und Gewinn gemacht wird. Werden rote Zahlen geschrieben muss das Geschäft schließen, das geht gar nicht anders, es sei denn, man bevorzugt planwirtschaftliche Instrumente und subventioniert diese Geschäfte. Welche Möglichkeiten stünden der Politik denn überhaupt zur Verfügung? In einem marktwirtschaftlichen System entscheiden die Kunden nun mal selbst, wo sie kaufen wollen und das ist gut so. Wenn die Kunden aus Ruthenberg lieber bei Famila, die aus der Gartenstadt lieber im A & B-Center einkaufen, kann sich ein kleinerer Discounter nun mal nicht halten, so bedauerlich das für die Nahversorgung und Stadtteilstruktur auch sein mag. Im Übrigen sind es ja nicht nur die jüngeren und mobilen Menschen, die den Discounter auf der grünen Wiese aufsuchen. Gerade hier trifft man ältere Mitbürger an. Warum? Weil sie hier ihre Nachbarn treffen und bei einem Kaffee einen Klönschnack halten können. Wenn die so schmerzlich vermissten kleinen Läden das auch bieten, hätten sie vielleicht eine Chance, nur müssen sie auch wirtschaftlich existieren können. Wünschen würden wir uns das wohl alle. Und was kranke oder gehbehinderte Menschen angeht, so gibt es ja auch noch die Möglichkeit eines Lieferservices, familiärer oder nachbarschaftlicher Hilfe. Denn der Laden in 100 Meter Entfernung ist für diese Menschen auch nicht erreichbar.

Gerne hätten wir an dieser Stelle die Meinung der Grünen veröffentlicht, trotz Nachfrage kam jedoch keine Antwort.