Neumünster (em) Durch Unwissenheit, Vorbehalte oder Ängste nutzen viele Unternehmen nicht das große Fachkräftepotenzial, das behinderte Arbeitsuchende bieten. Denn trotz hoher Motivation und gleichwertiger Qualifikation haben es (schwer-)behinderte Arbeitsuchende schwerer auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft Fuß zu fassen.

Im Alltag, in der Ausbildung oder am Arbeitsplatz müssen sich Behinderte häufig stärker behaupten. Verbreitet stoßen sie auf Vorbehalte und Unsicherheiten. Dabei können Menschen mit Behinderung, gegebenenfalls mit Hilfsmitteln, genauso leistungsfähig sein wie Nichtbehinderte. Seit 2009 stieg die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten im Kreis Rendsburg-Eckernförde und der Stadt Neumünster entgegen der positiven allgemeinen Entwicklung am Arbeitsmarkt um 1,2 Prozent. Im November waren in der Stadt Neumünster 179 und im Kreis Rendsburg-Eckernförde 434 Schwerbehinderte arbeitslos gemeldet. Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern sind verpflichtet, fünf Prozent der Stellen mit Schwerbehinderten zu besetzen. Erfüllen sie diese Quote nicht, wird eine Ausgleichsabgabe fällig. Ihre Höhe ist abhängig von der Beschäftigungsquote und liegt bei 115 Euro, 200 Euro oder 290,00 Euro monatlich. 2011 wurden in Schleswig-Holstein Ausgleichsabgaben in einer Höhe von 12,85 Millionen Euro an das Integrationsamt abgeführt (laut BIH-Jahresbericht 2011/2012).

„Hartnäckige Vorbehalte halten viele Unternehmen davon ab, Menschen mit einer Behinderung einzustellen. Im Hinblick auf einen steigenden Fachkräftebedarf ist es geboten, auch Menschen mit Behinderungen einen (Wieder-)Einstieg ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Sie sind oftmals gut ausgebildet, motiviert und leistungswillig. Am richtigen Arbeitsplatz eingesetzt, sind behinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Gewinn für das Unternehmen“, ist sich Carsten Ludwig, Leiter der Agentur für Arbeit Neumünster, sicher. Ludwig spricht aus Erfahrung: Die Agentur für Arbeit Neumünster beschäftigt 51 Mitarbeiter, die schwerbehindert oder gleichgestellt sind. Damit gehören 15,5 Prozent der Belegschaft zu den Menschen mit Behinderung. Die Tätigkeiten sind sehr verschieden. Vom Telefon-Serviceberater im Service-Center über die Arbeitsvermittlerin und den Sachbearbeiter bis hin zu Führungsfunktionen sind die Aufgaben verteilt. „Die Einstellung von schwerbehinderten Menschen kann die Agentur für Arbeit oder der jeweilige berufliche Rehabilitationsträger unter bestimmten Voraussetzungen mit verschiedenen Zuschüssen fördern. Nutzen Sie dieses Potenzial. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Arbeitgeberservice beraten Sie gerne“, appelliert Ludwig an Personalverantwortliche. Den Arbeitgeberservice erreichen Betriebe unter der Rufnummer 0 18 01 - 66 44 66 (Festnetzpreis 3,9 Cent/Minute; Mobilfunkpreise höchstens 42 Cent/Minute).
Hintergrundinformation:
Ein weiteres Vorurteil geht von häufigerer Erkrankung und eingeschränkter Leistungsfähigkeit aus:
Alle Erfahrungen zeigen, dass sich die krankheitsbedingten Fehlzeiten von behinderten Menschen nicht von anderen Mitarbeitern unterscheiden. Menschen mit Behinderung kennen ihre Belastungsgrenzen und sind meist gut auf ihre Behinderung eingestellt. Die körperlichen Defizite sind zudem häufig durch technische Hilfsmittel, zum Beispiel Hörgeräte, besondere Bildschirme oder angepasste Tische, ausgeglichen.

Auch der Kostenaspekt wird oft genannt:
Die meisten Behinderungen stellen überhaupt keine besonderen Anforderungen an den Arbeitsplatz. Nicht selten reichen bereits organisatorische Maßnahmen aus, um eine behindertengerechte Anpassung umzusetzen. Sofern eine behindertengerechte Einrichtung oder der Umbau des Arbeitsplatzes notwendig ist, fördern die Träger der beruflichen Rehabilitation sowie das Integrationsamt auf Antrag die erforderlichen Maßnahmen. Und für jeden beschäftigten schwerbehinderten Menschen spart der Betrieb zusätzlich die Ausgleichsabgabe. Angerechnet werden können auf diese Arbeitsplätze neben schwerbehinderten Menschen auch ihnen Gleichgestellte. Das sind Menschen, die einen Grad der Behinderung von mindestens 30 und weniger als 50 haben.

Zu einem der häufigsten Missverständnisse gehört die Unkündbarkeit:
In den ersten sechs Monaten des Beschäftigungsverhältnisses besteht kein besonderer Kündigungsschutz. Danach bedarf die Kündigung der Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes. Dabei wird geprüft, ob es Möglichkeiten gibt, das Beschäftigungsverhältnis gegebenenfalls zu erhalten. Sollten die Bedingungen für den Arbeitgeber nicht zumutbar sein, wird nicht daran festgehalten. Auch bei verhaltensbedingten Gründen oder vertragswidrigen Pflichtverletzungen besteht kein besonderer Kündigungsschutz.