Norderstedt (rj) Die ärztliche Versorgung in der Stadt wird sich in den kommenden Jahren drastisch verschlechtern, weil mehrere große Hausarztpraxen geschlossen werden: Die Ärzte gehen in den Ruhestand und Nachfolger sind nicht in Sicht.

Im Hausarztnetz Nord (HANN) sind 33 Hausärzte organisiert, der Verbund repräsentiert damit rund 70 Prozent dieser Mediziner in der Region Norderstedt, Tangstedt, Nahe und Kayhude. Ein Blick auf deren Altersstruktur genügt, um das Problem zu verstehen: zwölf der 33 Ärzte sind bereits 60 Jahre und älter, weitere zehn zwischen 50 und 59. „Auf der anderen Seite sind immer weniger junge Leute bereit, sich als Hausarzt in eigener Praxis niederzulassen“, berichtet HANN-Geschäftsführer Dr. Bernd Mansfeld.
Eigene Erfahrungen lassen ihn nachdenklich werden. „Ich habe seit 1993 regelmäßig insgesamt 15 Assistensärzte in der Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin beschäftigt und ausgebildet. Seit fünf Jahren gelingt es uns jedoch kaum noch, geeignete Bewerber für die Assistentenstellen zu finden.“
„Rund die Hälfte der etwa 40 Hausärzte hier wird in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen“, erklärt SPD-Ortsvereinsvorsitzende Katrin Fedrowitz nach einem Besuch beim HANN. „Der tatsächliche Bestand muss endlich mit dem Bedarf abgeglichen werden. Eine Planung für ganz Segeberg kann dazu führen, dass in Norderstedt eine große Zahl an Hausärzten zugelassen wird und dafür im restlichen Kreis eine deutliche Unterversorgung vorliegt. Deshalb sollten die Planungsräume an Einwohnerzahlen gekoppelt werden.“
Aus Sicht von Mansfeld hat die Stadt das Problem bereits erkannt und arbeitet zusammen mit dem HANN an Konzepten, die die Situation entschärfen könnten. „Das kann nur gelingen, indem sowohl die Attraktivität des Standortes als auch die der Praxen für den Hausarztnachwuchs durch gezielte strukturelle Maßnahmen erhöht wird“, fordert Mansfeld.

CDU: Erste Erfolge zu verzeichnen
Seit Jahren ist die schwierige Situation der ärztlichen Versorgung in Schleswig-Holstein bekannt. Es gibt nicht nur Versorgungslücken in vielen ländlichen Regionen, sondern auch eine Überalterung der Ärzteschaft. Mehr als ein Viertel der Hausärzte ist über 60 Jahre alt, ein weiteres Viertel über 55. Daher kämpft die CDU gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KVSH), die für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im Land zuständig ist, seit Jahren um eine Verbesserung der Situation. Erste Erfolge sind zu verzeichnen. Die KVSH betreibt eine umfangreiche Nachwuchskampagnen an den Hochschulen im Land und die CDU-geführte Bundesregierung hat mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz einige Möglichkeiten geschaffen, die ärztliche Versorgung auch in Schleswig-Holstein zu verbessern. So ist die Residenzpflicht für Ärzte gefallen, dass diese nicht mehr wie bisher in der Nähe ihrer Praxis wohnen müssen. Vor diesem Hintergrund hat sich auch die KVSH an Ärzte in Hamburg gewandt und diesen Perspektiven im Umland geboten.

SPD: Lokale Förderung für junge Ärzte
Nicht nur auf dem Land, sondern auch in einer Stadt wie Norderstedt ist der Hausärztemangel bereits akut. Rund die Hälfte der etwa 40 Hausärzte hier wird in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Die Hausärzte vor Ort kennen die Gründe, die junge Kollegen davon abhalten, eine Hausarztpraxis zu übernehmen. Das wirtschaftliche Risiko, die Arbeitsbelastung und das Regressrisiko sind hoch. Selbst bereits bestehende Förderprogramme, die einen Anreiz schaffen sollen, die Weiterbildung zum Hausarzt anzustreben, werden obwohl wirtschaftlich interessant - viel zu wenig in Anspruch genommen. Ich bin davon überzeugt, dass wir als politisch Verantwortliche in Norderstedt schon sehr bald darüber entscheiden müssen, wie wir jungen Ärzten eine Niederlassung in unseren Stadtteilen erleichtern können. Ich denke dabei an günstig anzumietende Praxisräume oder an ein sogenanntes „Medizinisches Versorgungszentrum“, um ihnen eine berufliche Basis zu geben. Die Planungsräume müssen endlich an Einwohnerzahlen gekoppelt werden.

GALiN: Für Gemeinde- Schwestern
Angesichts der demografischen Entwicklung wird auch in Norderstedt die Frage der ärztlichen Versorgung neu gestellt. Statistisch galt unsere Stadt bisher eher ärztlich überversorgt. Dieser Umstand war sicher auch dem lebenswerten Wohnumfeld und der sehr guten Infrastruktur geschuldet. So war es auch für Ärzte interessant, sich hier mit ihren Familien niederzulassen. Jetzt müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie Bürger mit altersgemäß nachlassender Mobilität dennoch ausreichend viele Ärzte in zumutbarer Entfernung und mit zumutbaren Wartezeiten aufsuchen können. Ganz vorn steht in dem Werben um die weniger werdenden Ärzte sicher das Bemühen, als Stadt mit einem gesunden, grünen Klima attraktiv zu bleiben. Die Zunahme der Single-Haushalte in fortgeschrittenem Alter birgt auch die Gefahr der Vereinsamung. Diesem Problem können wir jedoch weniger durch den Arzt vor Ort begegnen als vielleicht mehr mit der sozialen Kompetenz einer Gemeindeschwester. Es gibt mittlerweile mehrere vielversprechende Modellversuche dazu.

FDP: Mehr Plätze für die Ausbildung
Die FDP setzt sich für die Einrichtung von Lehrstühlen für Allgemeinmedizin in Lübeck und Kiel ein, um mehr Ärzte auszubilden. Nur wenn mehr Ärzte ausgebildet werden, können genügend Ärzte helfen. Der FDP-Sozialminister Dr. Heiner Garg hat sich erfolgreich für eine Bedarfsplanung eingesetzt, die regionale Besonderheiten berücksichtigt und durch die Abschaffung der Residenzpflicht die Schaffung von Zweitpraxen ermöglicht. Dazu fordern wir Liberalen, dass die Honorare in Norderstedt nicht schlechter sein dürfen als in Hamburg. Zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf sollten sich die kassenärztliche Vereinigung und die niedergelassenen Ärzte überlegen, ob nicht mehr junge Ärzte, die noch keinen großen Patientenstamm übernehmen wollen, als Angestellte in den Praxen beschäftigt werden können. Als Entlastung von Bürokratie plädiert die FDP für die Abschaffung der Praxisgebühr. Übrigens: Die städtischen Wirtschaftsförderer der EGNO sind auch Ansprechpartner für Ärzte.