Henstedt-Ulzburg/Kisdorf (em) In Kisdorf engagieren sich über 80 Menschen für gut 100 Flüchtlinge. Jetzt haben sich Helfer und Asylsuchende zu einem „Café International“ getroffen.

„Wer fährt unsere Syrer zum Amt nach Neumünster?“ Margot Hillenbrenner meldet sich: „Das mach ich“. „Super“, Susanne Strehl macht einen Haken auf ihrer Liste. Eine von vielen schnellen Entscheidungen der Helfergruppe für Flüchtlinge in Kisdorf. Annähernd 30 Frauen und Männer treffen sich in wechselnder Besetzung regelmäßig in der „Olen School“. Sie kommen aus Vereinen, Verbänden der Umgebung, sind Privatleute oder sitzen hier als Vertreter weiterer Gruppen. Susanne Strehl und Margot Hillenbrenner organisieren die Treffen, aber jeder einzelne im Raum engagiert sich für Menschen auf der Flucht.

„Sich abstimmen, spontan einspringen, ganz direkt helfen, handeln, nicht nur reden, das ist wichtig“, erklärt Hillenbrenner. Hier in der Gruppe schlägt der Puls der Hilfe für die 101 Asylsuchenden, meist Familien, die in Kisdorf und Umgebung untergebracht sind. Hier bereitet man sich auf die 170 weiteren Menschen vor, die 2016 noch kommen sollen. Im Amt Kisdorf meint man es ernst mit der Willkommenskultur: „Das Engagement ist außergewöhnlich“, bestätigt Mohammed Al Khalaf. Der 22-Jährige ist vor einem Jahr aus Syrien geflohen, über die Türkei, das Mittelmeer und Griechenland. Zunächst war er in Dortmund untergebracht. Als seine vier Geschwister mit Neffe und Nichte ebenfalls flohen, trafen sie sich in Kisdorf. „Hier ist ein guter Ort, um zur Ruhe zu kommen, neu anzufangen, die Familie zusammenzuhalten“, erklärt er.

In Dortmund war er sich selbst überlassen, hatte kaum Kontakt zu Einheimischen, fühlte sich verloren. Heute träumt der ehemalige Jurastudent davon, eine Ausbildung zu machen: „Am liebsten im Bereich Wirtschaftsrecht. Und dann irgendwann nach dem Bürgerkrieg Syrien wieder aufbauen.“ Der Helferkreis stellt jeder Flüchtlingsfamilie bis zu drei ehrenamtliche Paten an die Seite, als Ansprechpartner, Kümmerer, Mensch. Katrin Schick und Barbara Runge haben zusammen die Patenschaft für Mohammed und seine Geschwister übernommen. „Die Menschen sollen sich nicht als ein Verwaltungsakt fühlen, den wir schnell erledigen wollen“, sagt Schick. „Es geht um echtes Miteinander!“ Die zwei Patinnen sind zusammen mit „ihrer Familie“, zum allerersten „Café International“ gekommen. Im Gemeindesaal der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Kisdorf treffen sich in Zukunft regelmäßig Helfer und Asylsuchende zu Kaffee, Kuchen, Salaten und Schnack. Der Raum ist gerammelt voll, Kinder flitzen zwischen Kicker und Kuchenbuffet hin und her. Menschen unterhalten sich, auf englisch, deutsch, arabisch oder mit Händen und Füßen. Pastorin Christiane Ellger gehört ebenfalls zum Helferkreis: „Jeder bringt ein, was er kann, und wir können eben große Räume für Veranstaltungen stellen.“

Auch das neu eingerichtete Spendenkonto läuft über sie, denn der Helferkreis selbst darf keine Spendenquittungen ausstellen. „Meine Kirchengemeinde steht dabei voll hinter mir“, erklärt sie. Das ist typisch in Kisdorf, viele der Flüchtlings-Engagierten haben im Hintergrund eine weitere Gruppe, von Sozialverband bis Feuerwehr, die wenn nötig auch noch einspringen kann, jeder ist vernetzt. Initiiert hat die Helfergruppe vor gut einem Jahr Susanne Strehl. Aus ihrem Ehrenamt wurde im November letzten Jahres eine halbe Stelle. Sie nutzt ihre Kontakte als CDU Kreistagsabgeordnete, trommelt Leute zusammen, redet, begeistert. Inzwischen umfasst der Helferkreis rund 80 Mitglieder in Kisdorf und Umgebung. In der Arbeit mit Flüchtlingen dreht sich vieles um Ämter, Spenden, Sprachkurse und Erstversorgung.

Aber diese Helfer wollen mehr als die Versorgung von Amtswegen. „Wir möchten, dass in den Wohnungen nicht nur ein Bett und ein Teller steht“, betont Strehl, „sondern dass dort auch ein Teppich oder ein Kuscheltier wartet.“ Und eben immer ein Mensch. Auch in Kisdorf läuft nicht alles reibungslos, nicht jeder Flüchtling möchte sich einpassen, nicht jeder Vermieter reagiert begeistert auf Anfragen. Aber die Helfer tauschen sich aus, finden individuelle Lösungen. Information, Integration das passiert hier in beide Richtungen. Da wird für skeptische Nachbarn schon mal ein Punschtrinken am Feuerkorb organisiert, um die Neuankömmlinge in der Straße kennenzulernen, erzählt Flüchtlingspatin Katrin Schick: „Und wenn dann der alte Herr plötzlich seine Meinung dreht und sagt, naja, die sind ja alle ganz ok, dann geht mir einfach das Herz auf!“

Foto: „We´re partners. They are real, real helpers“ Flüchtlingspatinnen Katrin Schick und Barbara Runge (hinten v.l.) mit Mohammed, Ibrahim, Riham, Suha, Lama. Nicht auf dem Bild Lamas Kinder Fahad und Jaha (vorne v.l.).